Vertrauen in Absprachen: riskant!?

16649925388_03f349d178_zAls Geschäftsführer bin ich dafür verantwortlich Arbeitsverträge zu unterschreiben und mit den Mitarbeitenden über Veränderungen / Anpassungen der vertraglich zu vereinbarenden Rahmenbedingungen zu verhandeln. Oft geschieht eine Veränderung auf Wunsch des Mitarbeitenden. Sei es der Wunsch nach Veränderung der Arbeitszeiten, Einsatz in einem anderen Projekt mit einem anderen Tätigkeitsschwerpunkt oder der Wunsch nach einer beruflichen Weiterentwicklung – im Sinne von „den nächsten Karriereschritt“ in der Organisation machen. In 8 von 10 Fällen geht das problemlos. Vor allem, wenn nur Anpassungen des Stellenumfangs etc. zu vereinbaren sind – ein quasi schon „automatisiert“ durchlaufender Prozess. Schwierig wird es, wenn mit dem Veränderungswunsch eine ganz neue Tätigkeit, neue Aufgaben und / oder neue Verantwortlichkeiten verbunden sind.

Wir wissen nicht, ob der Mitarbeitende den neuen Anforderungen zu 100 % gerecht wird, ob die Annahmen und Vorstellungen (auch Selbsteinschätzung) der Kolleg*innen bezogen auf die neue Stelle bzw. die neue Tätigkeit  realistisch und zutreffend waren.  Es bleibt also ein Risiko, denn möglicherweise erweist sich die getroffene Entscheidung zur Veränderung schon sehr bald als falsch. In manchen Fällen, müssen wir mit den Mitarbeitenden dann Vereinbarungen treffen, die einer arbeitsrechtlichen Überprüfung nur schwer standhalten können. Dies tun wir nur, wenn der Mitarbeitende den Wunsch nach Veränderung hat!  Sehr oft sind die Mitarbeitenden in den Gesprächen, in denen wir solche Entscheidungen und Vereinbarungen treffen, sehr kooperativ und wissen, dass die rechtlichen Grundlagen in mancherlei Hinsicht nicht 100%ig  gerichtssicher sind. Trotzdem wollen wir als Erwachsene Menschen „auf Augenhöhe“  angemessene Vereinbarungen treffen. Wenn wir dem Wunsch des Mitarbeitenden gerecht werden wollen, müssen wir teilweise „wackelige“ Vereinbarungen treffen, denn eine neue Probezeit z.B.  ist bei Kolleg*innen, die schon länger bei uns sind rechtlich, nicht durchsetzbar. Aber was, wenn sich herausstellt dass wir die Entscheidung später revidieren müssen?

Ich hatte jetzt ein paar mal die Situation, dass die von den Mitarbeitenden  gewünschten (und von mir unterstützten ) Veränderungen nicht die erhofften Erfolge gebracht haben und wir vor der Situation standen, die Entscheidung rückgängig machen zu müssen. Was mich dann sehr verwundert ist, dass Mitarbeitende sich dann oft sehr schnell auf eine formale/juristische Argumentation zurückziehen und die zuvor getroffene Vereinbarung („Augenhöhe“) aus formal-juristischen Gründen infrage gestellt wird. Das führt bei mir langsam zu der Einsicht, dass ich auf individuelle, den Wünschen der Mitarbeitenden gerecht werdende Sondervereinbarungen, die nicht von einem Rechtsanwalt gegengeprüft sind, verzichten sollte.

Diese Sicht widerspricht allem was sich an sich für richtig und notwendig halte, um Zusammenarbeit auf Augenhöhe zu ermöglichen. Aber wie soll ich ein arbeitsrechtliches Risiko für die Organisation minimieren, wenn Mitarbeitende sich in einer solchen Situation dann nicht mehr auf diese zuvor getroffenen gemeinsamen Absprachen verpflichten  lassen wollen…?

Welchen Ausweg aus diesem „Dilemma“ empfehlt Ihr? Wie wird in Euren Organisationen mit dem Thema umgegangen?

10 Gedanken zu “Vertrauen in Absprachen: riskant!?

  1. Sehr spannendes Thema. Für mich liegt die Wurzel des Übels darin, dass es keine wirkliche Augenhöhe gibt. Der Arbeitnehmer fühlt sich immer abhängig. Mehr als Vertrauen auf- und Angst abbauen kann man da wohl nicht tun. Vielleicht hilft auch ein Abgleich von Selbst- und Fremdwahrnehmung mit dem Team. Und wenn jemand partout den Rechtweg gehen will, muss man das wohl akzeptieren. Trotzdem würde ich immer wieder eine vertrauensvolle Zusammenarbeit versuchen – auch, wenn es manchmal frustriert.

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    • Ja, den Gedanken mit der Augenhöhe hatte ich auch. Meiner Meinung nach ist die Abhängigkeit auch nicht nur gefühlt sondern im Regelfall Realität.

      Dazu ein Vergleich, der einem das vielleicht vor Augen führt: Angenommen der Geschäftsführer würde aus Sicht der Arbeitnehmer seine Aufgaben nicht korrekt erfüllen, könnten sie den Geschäftsführer absetzen und auf eine andere Stelle versetzen? Wie würde der Geschäftsführer höchstwahrscheinlich reagieren, wenn seine direkten Untergebenen ihm dieses Feedback gäben?

      Oder mal von einer anderen Seite betrachtet: Wie wahrscheinlich ist es, dass der Geschäftsführer mit seinen Mitarbeitern eine Vereinbarung trifft, in der grob gesagt steht: Wenn die und die Ziele nicht erreicht werden, trete ich als Geschäftsführer ab.

      Klar, das klingt absurd. Aber das liegt eben genau daran, dass es wenige Rollen in Unternehmen gibt, die tatsächlich nicht verhandelbar sind.

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      • hmmmm….. ich denke noch nach …. 😉

        Danke für den Impuls….. aber irgendwas ist daran noch nicht rund…..

        Im Kern ist es ja so, dass gerade auch eine Geschäftsführung besonders rechenschaftspflichtig ist – gegenüber Vorstand und indirekt gegenüber der Mitgliederversammlung. Und natürlich steht der GF zur „Disposition“, wenn Ziele des Unternehmens bzw. der Organisation nicht erreicht werden. …..

        Aber wies gesagt….. ich denke noch nach ….

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      • Na, das ist aber nicht ganz das Gleiche.

        Ob Geschäftsführung und Vorstand auf Augenhöhe stehen, ist ja gerade nicht das Thema. 🙂 Die Frage ist halt: Hat der Angestellte in der Beziehung zum Geschäftsführer die gleichen Gestaltungsmöglichkeiten wie der Geschäftsführer in der umgekehrten Richtung?

        Denn dass es einen Vorstand gibt, wird dem Mitarbeiter ja kaum etwas bringen, wenn ER eine Vereinbarung mit der GF durchsetzen will. Jedenfalls nicht im gleichen Maßen wie umgekehrt.

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  2. Hallo Thomas,

    die Veränderungen werden ja in einem Personalgespräch verabredet, wo beide Seiten an einem Tisch sitzen. Eine Mitschrift des Personalgespräches, von beiden unterschrieben, bringt zwar keine 100% ige Rechtssicherheit, bedeutet aber mehr als nur eine mündliche Absprache. Und wer „auf Augenhöhe“ miteinander sprechen möchte, muss sich auch daran halten, weil er als Mitarbeiter auch seinen Ruf verspielt, wenn er bei fachlicher oder persönlicher Nicht-Eignung auf einer Position beharrt, die er auch auf Vertrauensbasis besetzen durfte. Hier stellt sich dann auch die Frage nach der persönlichen Integrität des Mitarbeiters, oder, ob er immer nur auf den eigenen Vorteil bedacht ist.Das wäre allerdings keine verlässliche Grundlage einer weiteren Beschäftigung….

    Herzliche Grüße

    Rolf Netzmann

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  3. Ich versuche die Arbeitsverträge eher allgemein mit der anfänglichen Vereinbarung über die Eckpunkte zu gestalten. Änderungen bezüglich der Aufgaben und Einsatzorte sowie daran gebundene Zulagen sind dann entweder befristet oder werden, wenns gut läuft, Bestandteil. Ich unterscheide zwischen den Gehaltsentwicklungen auf Grund der Zugehörigkeit oder des Tarifs und andererseits den Zulagen für bestimmte Aufgaben. Letztere lassen sich zurückfahren, wenn die Aufgabe nicht mehr ausgeübt wird. Ich habe hier aber auch großen Gestaltungsspielraum, da wir uns an den Tarifen nur orientieren. Arbeits- und Tarifrecht aber auch manch andere gesetzliche Rahmungen wirken meiner Meinung nach nicht nur positiv auf selbstverantwortliche Mitarbeitende in agilen Organisationen. Auch der Punkt der Führsorgepflichten eines Unternehmers für seine Mitarbeiter muß da nochmal bedacht werden, geht beim Arbeitsschutz los. Das hört sich für mich nach mehr an, als nach dem Ausfüllen meiner Aufgaben in meiner Rolle, fühlt sich nicht an, als wäre es nur ein Teil der Verantwortung und der Mitarbeiter trägt seine. Irgendwie schräg, wenn wir wo anders hin wollen und mitarbeitende Menschen sich auch nicht mehr entmündigen lassen wollen. An dem Knoten kau ich immer wieder.

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  4. Ich finde das Thema auch deshalb schwierig, weil uns hier natürlich (aus nachvollziehbaren Gründen) viele Informationen fehlen. Generell finde ich aber, dass sich in solchen Situationen auch die Frage nach der anderen Perspektive stellt.

    Eine „wackelige“ Vereinbarung treffen, die Entscheidung rückgängig machen … das klingt ja erstmal nicht so sehr nach tatsächlicher Augenhöhe sondern nach Absicherung. Wenn es um mehr Verantwortung geht, wird rückgängig machen für den Mitarbeiter aber wahrscheinlich auch mit Einkommensverlust verbunden sein, oder? Welche Absicherung hat der Mitarbeiter? Welche Aspekte der Vereinbarung konnte er mitbestimmen?

    Zweitens: Die Weiterentwicklung eines Mitarbeiters ist mit einem Lernprozess verbunden. Der verläuft nicht immer so wie gehofft, ist aber auch eine beidseitige Verpflichtung. Wie steht es da? Wie würde der Mitarbeiter die Förderung seines Lernens beschreiben? Wie wurde mit den ersten Anzeichen umgegangen, dass es womöglich schiefgehen könnte?

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    • Hallo Patrick…. Deine Argumente sind richtig und wichtig. Und in der Tat kann ich die Hintergründe hier nicht in der gebotetenen Ausführlichkeit darstellen – aber vielleicht soviel: in dem Fall, der mich gerade beschäftigt, war es ein dringender Wunsch der Kollegin in das andere Projekt zu wechseln, sie war selbst unsicher, ob sie es schafft in dem Modellprojekt Fuss zu fassen und bot von sich aus eine „neue Probezeit“ an…..Wenn sie es nicht hinkriegen würde, wäre es kein Problem bei einem anderen Träger eine Anstellung zu bekommen (Stichwort Fachkräftemangel)….. Nun – ein paar Monate später – bekommt sie von Team und Teamleitung das Feedback, das es nicht hinhaut …. jetzt will sie aber von einer neuen „Probezeit“ nichts mehr wissen, weisst darauf hin, dass das arbeitsrechtlich auch gar nicht ginge (das weiss ich selber) und klagt auf Weiterbeschäftigung in dem Projekt in dem sie gescheitert ist….. absurd aus meiner Sicht.

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      • Nicht falsch verstehen: Ich wollte gar nicht für oder wider dem Verhalten der Mitarbeiter(in) argumentieren.

        Wie könnte ich auch? Ich kenne ja die genaue Sachlage nicht. Selbst wenn du deine Sicht vollständig darlegen könntest, wäre ein Urteil meinerseits schon deshalb unfair, weil ich die Sicht der Mitarbeiter(in) nicht kenne.

        Generell find ich es aber immer hilfreich, wenn man versucht, sich in die andere Seite zu versetzen, und meine Fragen waren eben ein paar Denkanstöße in eine Richtung, die ich mir (selbst Arbeitnehmer) vorstellen könnte. Auch unabhängig von dem aktuellen Fall, weil du ja von mehreren Situationen sprachst und ich nicht denke, dass man die Erfahrungen generalisieren sollte.

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  5. Hey Thomas,

    ein sehr spannendes Thema, das mich gerade auch persönlich beschäftigt (dazu aber vielleicht mal außerhalb des Blogs mehr 😉

    In meinen Augen ist interessant, ob es möglich sein, das Team einzubinden und dadurch den „sozialen Druck“ zu erhöhen. Wenn ich mich gegenüber meinen KollegInnen zu etwas verpflichtet habe (ob mündlich oder schriftlich), fällt es wahrscheinlich deutlich schwerer, mich hier im Nachhinein auf rein arbeitsrechtlich relevante Aspekte zurückzuziehen.

    Also kurz: Keine individuellen, sondern – wenn möglich – Teamentscheidungen, auch, wenn es die Entwicklung einzelner Mitarbeiter betrifft…

    Soweit mal meine (kurzen) Gedanken…

    Hendrik

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