Ein paar Gedanken zum Subsidiaritätsprinzip und zur Haltung gegenüber frei-gemeinnützigen Organisationen
Vor einiger Zeit habe ich mich hier im Blog mal ausgelassen, weil mich der Umgang mit frei-gemeinnützigen Organisationen (nicht nur) hier im Bezirk mitunter sehr aufregt. Anlass war, dass ich auf einer Veranstaltung des Jugendamtes über ein neues „wording“ gestolpert bin: man sprach dort stets von „öffentlicher“ und „öffentlich finanzierter“ Jugendhilfe. Mit dieser Wortwahl sollte wohl die übliche Begrifflichkeit „öffentliche Jugendhilfe“ und „Jugendhilfe in freier Trägerschaft“ ersetzt oder umgangen werden. Diese Begriffswahl hat ein bisschen an alte Diskussionen in den 1990er-Jahren erinnert.
Die Formulierung „öffentlich“ und „öffentlich finanziert“ ist irrelevant und nicht hilfreich – sie ist nicht mal eine „richtige“ Unterscheidung. („öffentlich finanziert“ sind auch die im öffentlichen Dienst beschäftigten Mitarbeiter*innen …). Sie steht für eine Haltung, die den Wert und die Bedeutung freier Jugendhilfe und einer in frei-gemeinnütziger Trägerschaft organisierten Sozialarbeit nicht würdigt.
Damals – in den 1990er Jahren – war (zumindest in unserem Bezirk) die Rolle der frei-gemeinnützigen Träger noch ziemlich unklar, ihr Stellenwert umstritten. Sehr stark lag der Fokus auf staatlichen Angeboten – freie Träger hatten bestenfalls die Funktion ergänzende Angebote – meist vollkommen unzulänglich finanziert – zu übernehmen. Dies hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten zwar zunächst positiv verändert – aktuell beobachten wir aber wieder eine „Rolle rückwärts“ zu einer Haltung, die von Misstrauen und Kontrollzwang geprägt ist und unterstellt, dass frei-gemeinnützige Organisationen ihre Arbeit vorrangig aus eigenwirtschaftlichem Interesse heraus machen. Das ist falsch und fataler Unsinn.
Für mich stellt das Subsidiaritätsprinzip, das auch im Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) durchgängig betont und gewertschätzt wird, einen enormen gesellschaftlichen Fortschritt dar. Nur dort, wo Angebote frei-gemeinnütziger Träger fehlen und/oder nicht geschaffen werden können, sollen staatliche Angebote vorgehalten werden („Gewährleistungspflicht“). Das ist richtiger und positiver Ausdruck eines modernen Gesellschaftsbildes: nicht der Staat, sondern am Gemeinwohl orientierte, bürgerschaftlich organisierte Vereinigungen und Initiativen gestalten die Lebensbedingungen im Gemeinwesen. Das Gegenmodell zu einer Ideologie, die davon ausgeht, dass „Vater Staat“ weiß, was das Beste für die Bürger*innen ist – und entsprechende Angebote schafft – oder es bleiben lässt.
Der Begriff „öffentlich-finanziert“ ist aber auch sachlich falsch. Frei-gemeinnützige Organisationen akquirieren im erheblichen Umfang nicht-staatliche, also „nicht-öffentliche“ Finanzmittel, um Projekte und Angebote zu realisieren. Sie werben private Spendenmittel ein, finden private Stiftungen oder Sponsoren für Projekte und erwirtschaften Eigenmittel durch eigene Angebote und „Produkte“
Ich werde in Sitzungen und Veranstaltungen auch weiterhin darauf hinweisen, dass wir in der Frage der Bedeutung und Würdigung des Modells der freien Trägerschaft und der Nachrangigkeit staatlicher Angebote schon mal weiter waren und für eine Beachtung des Subsidiaritätsprinzips werben. Denn ich bin überzeugt: Ohne das Engagement frei-gemeinnütziger Organisationen läuft – nicht nur in der Jugendhilfe – in diesem Land überhaupt nichts mehr.
