
Tschüss StadtteilZeitung. Willkommen „Im Mittelpunkt“.

Vor ein paar Tagen erreichte uns eine Petition, die von rund einhundert BewohnerInnen unserer Notunterkunft in Lankwitz unterschrieben war. Kritikpunkte: das Essen schmeckt nicht, die Internet-/WLAN-Aussstattung in der Sporthalle ist schlecht, es fehlen Waschmaschinen. Über diese Form der Beschwerde haben wir uns sehr gefreut! Denn: das Anliegen wurde auf eine sehr angemessene Art und Weise vorgetragen, die Petition von einer Delegation überreicht, die von Anfang klar machte, dass sie sehr zufrieden mit der Versorgung und Betreuung in der Sporthalle durch unsere Leute ist und dass man an einer konstruktive Lösung interessiert sei. Man darf vermuten, dass unsere Bewohner gleich mal ausprobieren und testen wollten, ob das, was sie im Kurs Deutschland für Einsteiger (der Link führt zu einem Bericht der Berliner Morgenpost über unser Projekt) gelernt haben, auch tatsächlich funktioniert und zur Anwendung kommen kann: Demokratie, Diskussion und Austausch auf Augenhöhe, Partizipation und Gerechtigkeit.
Ab morgen (1.3.) ist die März-Ausgabe der „StadtteilZeitung“ des Stadtteilzentrum Steglitz e.V. in den bekannten Auslagestellen und in den Einrichtungen unseres Vereins erhältlich. Selbstverständlich ist die Zeitung auch online verfügbar – auf unserer Internetseite könnt ihr die neueste Ausgabe downloaden: stadtteilzentrum-steglitz.de/stadtteilzeitung/
Diese März-Ausgabe ist übrigens eine ganz besondere: Mit dieser Ausgabe feiern wir „20 Jahre Stadtteilzeitung“ – da sind durchaus auch ein bisschen stolz! Schwerpunktthema der aktuellen Ausgabe ist das Thema „Heimat“ – ein auf den ersten Blick sperriges, aber wahrlich spannendes Thema.
Hier mein Vorwort zur Geburtstagsausgabe:
Liebe Leute,
ich brauche mal Euer Feedback! Die Ausgabe Dezember/Januar unserer „StadtteilZeitung“ beschäftigt sich mit dem Scherpunktthema Inklusion. Ich habe ein Grußwort für diese Ausgabe geschrieben – bin mir aber unsicher, ob das so geht….. Bitte mal lesen und dann unten abstimmen oder kommentieren. VIELEN DANK!
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Liebe Leserinnen und Leser,
ich lüfte in dieser Ausgabe ein Geheimnis: Ich bin behindert! Und zwar richtig doll. Neben meiner auch nach außen hin leicht zu erkennenden Seh-Behinderung (ich bin deshalb seit meinem 7. Lebensjahr auf eine Sehhilfe angewiesen) habe ich einige Unzulänglichkeiten, die mich mitunter im Alltag sehr stark einschränken: Ich bin z.B. nicht in der Lage ohne fremde Hilfe Rollstuhl zu fahren. Wenn ich es versuche, scheitere ich schon an der kleinsten Bordsteinkante, die für mich zum unüberwindbaren Hindernis wird. Andere Menschen beherrschen dieses Fahrgerät wie im Traum. Ich komme nicht hinterher – ich werde in der Szene ein Außenseiter bleiben. Vollkommen aufgeschmissen bin ich in Gesprächsrunden von taub-stummen Menschen. Ich versteh überhaupt nichts. Was für diese Menschen ganz klar und logisch und die selbstverständliche Grundlage der zwischenmenschlichen Kommunikation darstellt, ist für mich nur eine zusammenhanglose Aneinanderreihung merkwürdiger Finger- und Handbewegungen. In solchen Momenten spüre ich meine Behinderung sehr deutlich. Ich fühle mich ausgegrenzt. Ich fühle mich stigmatisiert. Ich gehöre nicht dazu. Weil ich etwas nicht kann, was für viele andere ganz selbstverständlich ist. Diese negative Erfahrung der Behinderung wird nur noch getoppt, durch Dokumente, die mir in Brailleschrift zur Kenntnisnahme oder zur Unterschrift vorgelegt werden. Immer und immer wieder gleiten meine Fingerspitzen über die ins Papier gestanzten Punkte. Aber so sehr ich mich auch anstrenge: Ich kann den Sinn der Zeilen nicht ertasten. Auf diese Art, von Informationen und Teilhabe an Wissen und Kommunikation ausgeschlossen zu sein, ist wohl eine der übelsten Erfahrungen, die ein Mensch machen kann. Es wird Sie und Euch sicher nicht überraschen, dass jemand wie ich ein großer Anhänger der Inklusionsidee ist. Ich begrüße es aufs allerschärfste, dass sich die An- und Einsicht immer mehr durchsetzt, die Vielfältigkeit und das „Anders-Sein“ der Menschen als wertvolles Element einer lebendigen, bunten Gesellschaft zu wertschätzen. Ich finde es großartig, dass sich immer mehr Menschen auf den Weg machen, um in allen Bereichen des Zusammenlebens Bedingungen zu schaffen, die das selbstverständliche Miteinander der verschiedenen Menschen – ganz egal ob mit oder ohne „Behinderung“ – zum Normalfall erhebt und aufhört andere Menschen wegen ihrer anderen Art oder ihrer besonderen Eigenschaften auszugrenzen und zu diskriminieren. In einer solchen Gesellschaft ist auch für mich Platz. Da will ich dazu gehören.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Ihren Familien und Freunden ein schönes Weihnachtsfest und einen guten Start in ein tolles neues Jahr. Und natürlich „all inclusive“ 😉
Herzliche Grüße – Thomas Mampel, Geschäftsführer
update: 3.12.13: Die Ausgabe Dezember/Januar ist fertig und nunmehr auch online verfügbar (HIER klicken).
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Liebe Leserinnen,
liebe Leser,
eine große deutsche Tageszeitung hatte vor einigen Monaten Aufmerksamkeit mit einem Satz erregt, der bundesweit auf vielen Plakaten zu finden war: „Wir haben im Internet jetzt so viele Freunde, dass wir ein anderes Wort für die richtigen brauchen.“ Und in der Tat ist es nicht so einfach, wie es zunächst aussieht, den Begriff Freundschaft zutreffend und umfassend zu beschreiben. Eine Kollegin fasst es so zusammen: „Ein Freund, eine Freundin ist jemand, der/die mich weil er/sie mich schätzt, auch kritisch betrachten darf und soll …. mir nicht zu Munde redet sondern mich beim Denken/ Umdenken und Handeln unterstützt, mir Schwächen und Fehler nachsieht, mich eben als Ganzes akzeptiert wie ich bin – egal wie die Details aussehen – und in echten Lebenskrisen und -einschnitten oder auch Turbulenzen einfach da ist ……“
Eine andere Kollegin ergänzt: “ Freundschaft bedeutet Akzeptanz, Wertschätzung, Freiheit und Vertrauen. Akzeptanz bedeutet für mich, dass ich meine Freunde und ihre Lebenseinstellung so akzeptiere wie sie sind und sie nicht verändern will nur weil ich eine andere Einstellung habe. Wertschätzung ist für mich mehr als wichtig…..ich schätze meine Freunde dafür, dass sie niemals bewerten wenn ich mal einen schlechten Tag habe, ich mal Mist baue oder einfach Sachen passieren worauf ich keinen Einfluss habe und einfach …nur mich als Mensch wertschätzen. Freiheit ist zwanglose Freundschaft, ich muss nicht ständig mit Menschen zusammen sein – und trotzdem können es die besten und tollsten Freunde sein. Vertrauen ist für mich auch mehr als wichtig – dazu gehört Verschwiegenheit, Toleranz, Ehrlichkeit …..!“
Ich finde beide Beschreibungen ausgesprochen zutreffend und ansprechend. Denn sie betonen, dass Freundschaft etwas ausgesprochen persönliches, intimes und privates ist – etwas, was sich jedem Versuch der objektivierenden Definition widersetzen muss. Freundschaft ist mehr als ein „Klick im Internet“. Freundschaft ist das Beste, was einem Menschen passieren kann. In einem guten Freund, einer guten Freundin wird das Gute im Menschen sichtbar, an das wir doch sehr gern glauben und das wir erhoffen, in einer Welt, die auch soviel nicht-gutes für uns bereit hält…..
Die Sommer-Ausgabe der Stadtteilzeitung beleuchtet einige Aspekte und Facetten des Themas Freundschaft – und kann es doch nicht umfänglich „dokumentieren“. Ich würde mich freuen, wenn die Berichte und Artikel auch Sie zu Gedanken über Freundschaft im Allgemeinen und Ihre Freunde im Besonderen anregen würden.
Herzliche Grüße von Haus zu Haus
Thomas Mampel
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Dieser Beitrag erscheint als Vorwort der Sommerausgabe der Stadtteilzeitung des Stadtteilzentrum Steglitz e.V. ( Juli/August 2013)