Vor sechs Jahren habe ich hier im Blog einen Beitrag geschrieben mit dem Titel „verschont mich bitte mit „Work-Life-Balance“. Ich habe seinerzeit geschrieben: „Und das Konzept der „Work-Life-Balance“ habe ich nie verstanden: Warum soll ich „Arbeit“ und „Leben“ als zwei voneinander getrennte Bereiche betrachten? Wieso stehen sich „Arbeit“ und „Leben“ als Gegensatzpaar gegenüber und müssen ins Gleichgewicht, in „Balance“ gebracht werden?
Ich liebe mein Leben. Und meine Arbeit gehört dazu. Meine Arbeit ist ein wichtiger, ein wertvoller, ein sinn-gebender, ein (nicht unbedingt im materiellen Sinne 😉 ) bereichernder Bestandteil meines ganzen Seins…. “
Sechs Jahre und eine Pandemie (die ich gefühlt vor allem im Krisenmodus verbracht habe) später, bin ich mal wieder an einem Punkt, wo ich mir angucke, ob Arbeit und der Rest des Lebens in einem guten Verhältnis zueinander stehen. Bei mir – und bei vielen anderen sehr engagierten Menschen in meinem Umfeld – dominiert die Arbeit das Leben sehr deutlich. Möglicherweise ist das im sozialen Bereich auch besonders häufig der Fall – denn die Themen, mit denen wir uns professionell befassen sind von der Sache her „nie fertig“ und haben i.d.R. kein „natürliches Ende“. Wäre ich Friseur oder Metzger würde ich um 19 Uhr den Laden saubermachen und abschliessen. Feierabend. Soziale Arbeit funktioniert so nicht. Nicht mal in meiner Geschäftsführungsrolle. Der Alltag in einer sozialen Organisationen ist ausgesprochen dynamisch, häufig schwer planbar, geprägt von vielen Dingen, die getrost als „unvorhersehbar“ bezeichnet werden können. Und diese Grundstruktur hat sich in der Pandemie nochmal heftig verstärkt. (Meine hier veröffentlichen Corona-Tagebuch-Einträge haben das ja ganz anschaulich beschrieben). Diese Dauerbeschäftigung mit beruflichen Themen stört mich meistens nicht. Das Gute an der Arbeit im Sozialbereich ist das gute Gefühl, das sich aus dem Bewusstsein speist, etwas sinnvolles, sinnstiftendes zu tun. Ich kann jeden Tag einen kleinen Beitrag dazu leisten, die Welt ein bisschen besser zu machen. Dieses Sinnerlebnis spendet Energie und häufig erlebe ich mich als sehr selbstwirksam. Aber: Immer häufiger komme ich mir auch vor, wie Sisyphos – immer aktiv, nie fertig. Irgendwie gefangen in einer Zeitschleife, in der ich immer wieder die gleichen Runden drehe, die gleichen Erfahrungen mache – das Murmeltier lässt grüßen. Und immer dann habe ich das Gefühl, ich muss was „grundsätzliches“ ändern. Wenn ich dann noch höre, dass ein guter Bekannter (in meinem Alter) grad einen Herzinfarkt hatte, gehen bei mir dann auch ein paar Alarmglocken an. Und dann kommen die Fragen: Muss ich mehr für Ausgleich sorgen? Stimmt das vielleicht doch mit der Work-Life-Balance? Muss ich berufliches und privates Leben vielleicht doch konsequent trennen?